Mittwoch, April 16, 2008

Lesermail (Frauenrabatt vor Gerichten)

Genderama-Leser F.J. mailt mir:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

ich nehme mal an, Sie besitzen bereits ein umfangreiches Archiv zu den Themen, die auf "Genderama" behandelt werden. Vielleicht paßt das Dokument im Anhang dort hinein. Es handelt sich um ein Interview aus der aktuellen Ausgabe 3/08 der "Zeitschrift für Rechtspolitik" mit einem pensionierten Strafrichter. Interessant die markierte Passage.

Man ist ja von gewissen Juristenkollegen (-innen) so einiges gewöhnt; Frau Zypries etwa mit ihrem absurden Projekt einer Kriminalisierung von Vaterschaftstests steht weit oben auf der Liste derer, die in diesem Bereich immer wieder fassungslos machen. Daß sich allerdings ein (ehemaliger) Richter in solch nonchalanter Art mal eben öffentlich zu seiner langjährigen rechts- und verfassungswidrigen Praxis bekennt, das (weibliche) Geschlecht als pauschalen Strafminderungsgrund zu behandeln, das hat mich dann doch schockiert. Er rechnet offenbar damit, daß solches allgemeinen Beifall findet oder zumindest keinen Anstoß erregt. Anscheinend zurecht - dem Interviewpartner war diese haarsträubende Aussage keine Nachfrage wert.


Das dieser Mail beigefügte pdf-Dokument enthält ein Interview mit dem Richter am Amtsgericht a.D. Professor Ulrich Vultejus, Berlin. Es ist betitelt mit "Kein Gesetzgeber kann einen Richter zu einem Urteil zwingen" und erschienen in der oben genannten Ausgabe der genannten Zeitschrift vom 11. April 2008, herausgegeben vom Verlag C.H. Beck. In der erwähnten Passage erläutert Richter Vultejus:

"Theoretisch müssen Männer und Frauen bei gleichen Taten auch gleich bestraft werden. Rechtssoziologen wollen herausgefunden haben, dass Frauen etwas milder bestraft werden. Ich bin in Strafverfahren gegen Frauen immer wieder in Schwierigkeiten geraten und habe mich deshalb jeweils gefragt, welche Strafe würde ich gegen einen Mann bei derselben Anklage verhängen und auf diese Strafe alsdann abzüglich eines 'Frauenrabatts' erkannt. Ähnlich scheinen es auch meine Kollegen zu handhaben, wie die eben wiedergegebene rechtssoziologische Untersuchung ergibt. Ein Frauenrabatt ist gerechtfertigt, weil es Frauen im Leben schwerer haben und Strafen deshalb bei ihnen härter wirken."

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