Donnerstag, Oktober 11, 2007

Feminismuskritikerin Doris Lessing erhält den Nobelpreis

"Literaturnobelpreis für eine Ikone des Feminismus" titelt heute die Nachrichtenagentur Reuters. Aber "Feministin war sie nie" befindet zur Preisträgerin der STERN . Richtig ist vermutlich beides: Die britische Autorin Doris Lessing sah sich selbst nie als Feministin, wurde aber von der Frauenbewegung gerne eingemeindet.

Tatsächlich könnte man Lessing sogar als scharfe Kritikerin der feministischen Bewegung bezeichnen. Während in dieser Hinsicht am bekanntesten ihre mahnenden Worte von 2001 sind, als sie eine Emanzipationsbewegung für Männer forderte, ist sich Lessing in dieser Hinsicht über die Jahre hinweg treu geblieben. So wandte sie sich erst vor wenigen Monaten gegen das Klischee von der friedfertigen Frau.

Ihr neuestes Buch "Die Kluft" wird so vorgestellt:

Gibt es eine Welt jenseits von Intrigen, Eifersucht und Rivalität? Doris Lessing kehrt in ihrem Roman zu den Ursprüngen der Menschheit zurück und beschreibt eine mythische Gesellschaft, die tatsächlich frei von all diesen Dingen ist: eine Gesellschaft ohne Männer.

Ein alternder römischer Senator sieht sich vor der letzten großen Aufgabe seines Lebens: die Geschichte der menschlichen Schöpfung aufzuschreiben. Er berichtet über eine Gemeinschaft von Frauen, die in einer wilden Küstenlandschaft lebte: Männer kennt man bei dem Volk der »Spalten« nicht, Kinder - allesamt weiblich - werden nach den Zyklen des Mondes zur Welt gebracht. Als eines Tages ein Junge geboren wird, betrachten ihn die Frauen nicht als andersgeschlechtliches Lebewesen, sondern als Missgeburt; kurzerhand überlassen sie ihn dem Tod. Doch dem ersten Jungen folgt ein zweiter, und danach kommen immer mehr. Irgendwann begreift das Volk der Frauen, dass es sich nicht um eine Laune der Natur handeln kann. Von da an ist die Harmonie der Gemeinschaft in Gefahr.


Da ich das Buch nicht gelesen habe, kann ich mich dazu schlecht äußern. Auffällig erscheint mir von den Inhaltsangaben her, dass einerseits durch das männliche Geschlecht auch Aggressionen und Konflikte in diese Welt getragen werden ("The first rape and the first murder follow soon enough"), andererseits aber Männer progressiver gezeichnet werden als Frauen. ("She portrays the denizens of her early matriarchy as Victorian caricatures: passive, incurious, interested in nothing except filling their wombs and maintaining the status quo - except for occasional bouts of bloodlust. The males, on the other hand, are curious, inventive, exploratory, irresponsible.") Der Standard, der Lessing als "Feministin wider Willen" bezeichnet, befindet, mit "Die Kluft" habe Lessing "erstmals einen dezidiert feministischen Roman geschrieben".

Die taz schließlich vermeldet heute über Lessing:

"Das goldene Notizbuch" kam für mindestens zwei Frauengenerationen gleich nach "Pippi Langstrumpf" und "Die rote Zora". Zusammen mit Simone de Beauvoirs "Mandarins von Paris" und Marilyn Frenchs "Frauen" bildete es die heilige Bibeldreifaltigkeit der Frauenbewegung. (...) Auch wenn sie immer wieder das weibliche Leben thematisierte, widerstrebte ihr doch die Vereinnahmung durch den Feminismus - vielleicht, weil sie selbst zu dem Zeitpunkt, als die bewegten Frauen ihre Bücher lasen, schon wieder ganz woanders war.


Und in einem Kommentar dazu heißt es:

Bei Doris Lessing, der Autorin des "Goldenen Notizbuches", kann man darauf wetten, dass nun noch einmal die Geschichte des Feminismus aufgearbeitet wird. An sich ist das keine schlechte Idee. Aber dafür braucht man keinen Literaturnobelpreis.

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